Das Ende der Netzneutralität in Amerika. Worum geht es?

Alle Daten sind gleich im Internet. Aber manche Daten sind jetzt gleicher. Das Ende der Netzneutralität in Amerika hat auch Auswirkungen auf uns in Europa!

Netzneutralität ist ein Wort der Gegenwart, deren zentrale Bedeutung für den Alltag auf den ersten Blick nicht offensichtlich ist. Es tobt aber momentan eine große Auseinandersetzung, welche für die Zukunft der Informationsgesellschaft und unsere ganz alltägliche Nutzung der Netze von entscheidender Wichtigkeit sind.

Worum geht es?
Internetprovider sind Infrastrukturunternehmen, die jeden Inhalt gleich schnell und gleich gut transportieren.
Die Federal Communications Commission (FCC) in Amerika hat diesen Grundsatz in einem heftig umstrittenen und knappen Beschluss gekippt.
Internetprovider sollen nun Informationsdienste sein, vergleichbar mit Nachrichtenportalen oder Fernsehsender, die frei entscheiden können, welche Inhalte sie in welcher Qualität übertragen wollen, oder auch nicht übertragen wollen.
Diese Entscheidung fiel gegen das Votum der amerikanischen Bevölkerung und den heftigen Widerstand der Silicon-Valley-Firmen.
Wenn nicht noch der Senat in Washington oder die Gerichte die Umsetzung der FCC-Entscheidung unterbinden, wäre die bisherige Pflicht der Internetprovider zur Neutralität gegenüber den von ihnen beförderten Inhalten Geschichte.

Übertragen auf die analoge Welt kann man sich das Problem etwa so vorstellen, als würde die Post Postkarten abhängig vom aufgedruckten Motiv unterschiedlich schnell transportieren. Sie würde Karten mit Bildern von Giraffen bevorzugt zum Empfänger weiterleiten, während solche mit Löwen erst nach einer Woche ankommen.
Einen Vorgeschmack darauf, wie so etwas in der digitalen Welt aussieht, lässt sich auf Kreuzfahrtschiffen gewinnen. Auf vielen Linien kann man Internetpakete buchen, bei denen im billigsten Angebot nur Facebook, Instagram und einige andere Social-Media-Plattformen enthalten sind. Im nächstteureren Paket gibt es dann auch E-Mails, große Nachrichtenportale wie zum Beispiel die Bild Zeitung oder Handelsblatt und ausgewählte Shoppingseiten wie zum Beispiel Amazon oder Zalando. Wer ungefiltertes Internet mit Zugang auch zu kleineren Zeitungen, Blogs oder speziellen Interessen sucht, muss deutlich tiefer in die Tasche greifen.

Die Folgen der Abschaffung der Netzneutralität für die langfristige Entwicklung des Internet werden furchtbar sein! Bisher konnte jedes Start-up, jeder Verlag, jede Nachrichtenseite darauf setzen, dass auf der Ebene des Datentransports keine Diskriminierung stattfindet. Nun sind die Internetanbieter in Amerika in einer Position, in der sie dafür, dass sie Datenströme nicht künstlich verlangsamen, zusätzliches Geld kassieren können.

Die großen amerikanischen Internetanbieter haben bei der Vorbereitung des FCC-Beschlusses heftigen Druck ausgeübt. Hintergrund ist, dass das Internetanschlussgeschäft relativ vorhersehbar nur moderaten Gewinn abwirft.
Man investiert in Infrastruktur, kalkuliert die Wartungskosten und kassiert eine monatliche Grundgebühr für die vertragsmäßige Bandbreite. Dafür erhält der Kunde dann das Recht, die Infrastruktur zu nutzen. Ein einfaches Modell, das eine wesentliche Grundlage für den Boom der Digitalisierung der Welt ist.
Heute kann sich ein Start-up mit einem innovativen neuen Dienst einfach ein paar Server mit Internetzugang mieten und loslegen. Der neue Dienst ist sofort erreichbar, von jedem Smartphone, Tablet oder Computer. Zukünftig aber müsste das Start-up mit Dutzenden Internetanbietern einzelne Verträge über schnelle Verbindungen zu seinen Diensten abschließen.

Firmen, die stetig steigende Umsätze und Nutzerzahlen verzeichnen, sind derzeit Streaming-Plattformen wie Netflix, Amazon Prime oder Youtube und Werbeunternehmen wie Facebook oder Google. Von deren Gewinnen möchten die Internetanbieter gern etwas abzweigen oder gleich selbst zu deren direkten Konkurrenten werden. Insbesondere im Bereich Videostreaming tobt schon länger ein erbitterter Streit zwischen den Plattformen wie Netflix und Amazon und den Internetanbietern. Die Internetanbieter finden, dass sie für den Ausbau der Netzinfrastruktur auf Bandbreiten, die für die vielen Spielfilme und Serien ausreichend sind, nicht nur von ihren Endkunden bezahlt werden sollen.

Sollte die FCC-Entscheidung Bestand haben, wird sich das Internet zumindest in Amerika dramatisch verändern. De-facto-Monopole wie Facebook, Netflix, Amazon oder WhatsApp haben schon längst begonnen, ihre Position durch Aushöhlung und Untergrabung der Netzneutralität zu zementieren. Sie können es sich problemlos leisten, Geld dafür zu bezahlen, dass ihre Seiten schnell geladen werden oder gar nicht erst auf das Datenvolumen des Mobilfunkvertrages angerechnet werden. Dadurch halten sie aufkommende Konkurrenz klein. Die Einstiegshürden für Newcomer, die vielleicht das bessere Produkt, aber kein Kapital haben, um sich an den Drosselstellen der Internetanbieter freizukaufen, werden praktisch unüberwindbar.

Ein zusätzliches Problem ist, dass fast alle großen Internetanbieter auch Inhalte produzieren. Der größte Provider in Amerika, die Firma Comcast, ist gleichzeitig der größte Anbieter von Kabel-TV, Internetanschlüssen, Betreiber von großen Fernsehsendern und Produktionsfirmen. Beteiligt ist Comcast zudem an Plattformen mit Hunderten von News-Seiten und Portalen. In manchen Gegenden ist Comcast auch noch der nahezu einzige verfügbare Internetanbieter.
Wenig überraschend gab Comcast dann auch viele Millionen in Washington dafür aus, die Netzneutralität zu Fall zu bringen.

Für Europa mit seiner Abhängigkeit von amerikanischen Anbietern kann das Gefecht, das gerade in Amerika zu beobachten ist, nur eines bedeuten. Der bisher europaweite schon festgeschriebene Grundsatz der Netzneutralität muss aktiv verteidigt werden! Denn es wird nicht lange dauern, bis die Idee aus Amerika auch bei uns von den Internetanbietern vertreten werden wird.

Vor ein paar Tagen hat zu diesen Thema Gerald Hörhan einen Livechat auf Facebook Veranstaltet.

Was sagt ihr zu der Entscheidung in Amerika? Richtig oder Falsch?
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